Im Reader sind 13 Seiten aus aktuellen Veröffentlichungen und Pressemitteilungen zusammengestellt:

 

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Dazu: Vortrag von Prof Raschke am Fr, 23.3., 18.00 Uhr im ASS mit anschließendem Nachkolloquium

 

 

Zusätzlich:

 

Ein kurzer einführender Bericht, entnommen aus KORONA Jan 2007:

 

 

 

 

 

 

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Was beeinflusst die Temperatur der Erdatmosphäre wirklich?

 

 

 

Unsere Erde ist mindestens 4,5 Milliarden Jahre alt. In ihrer langen Geschichte haben eine komplexe Vielfalt physikalischer, chemischer, geologischer und dann später auch biologischer Prozesse ihren jetzigen Zustand bewirkt. Das heutige Klima – nehmen wir mal das Referenzjahr 1900, um die jetzige Erwärmung später betrachten zu können – ist Ergebnis dieser Vielfalt und wird durch ständigen Austausch von Energie als Strahlung mit dem Weltraum, von Wärme, Impuls und Masse am Erdboden und auch innerhalb der Erdatmosphäre aufrecht erhalten. Dabei spielen natürlich die Ozeane mit ihrer hohen Wärmekapazität eine entscheidende Rolle.

 

 

 

Die einzige Quelle fuer eine Energiezufuhr „von aussen“ ist die Sonne! Alle anderen Energieumsätze innerhalb des Klimasystems erfolgen innerhalb von Kreisläufen; Verluste werden immer wieder durch die Sonne ersetzt. Ihre mittlere Einstrahlung, die „Solarkonstante“, hat derzeit einen Wert von etwa 1365 Wm-2. Vermutlich muss man diesen Wert aufgrund der neuesten Messungen von Satelliten aus auf etwa 1361 Wm-2 korrigieren. Dadurch ändern sich nur Modelldaten – die Erde wird deshalb nicht kühler. Die Wärmezufuhr aus dem Erdinneren ist trotz der vielen Vulkanschlote am Meeresboden und auf den Kontinenten um etwa 5 Zehnerpotenzen geringer. Diese Einstrahlung der Sonne wird zu etwa 30% direkt in den Weltraum zurück reflektiert. Der verbleibende Rest wird durch eine entsprechend hohe Ausstrahlung der Erde von allerdings langwelliger Wärmestrahlung im langjährigen Mittel vollständig kompensiert. Wenn man mal das Analogon eines „Schwarzen Strahlers“ hier nimmt, dann beträgt die mittlere effektive Emissionstemperatur der gesamten Erde, wie man das auch von Satelliten aus stets wieder misst, etwa 254K oder –19°C. An diesem global und über viele Jahre gemittelten Wert sind Emissionen von vielen Oberflächen und schliesslich auch von den Treibhausgasen (s. weiter unten) in der Atmosphäre beteiligt. Insbesondere spielen hier die Wolken eine entscheidende Rolle.

 

 

 

Die (jetzige) vertikale Temperaturverteilung in der Atmosphäre sei hier auch kurz skizziert: Vom Erdboden aus nimmt die Temperatur der Luft im Mittel um etwa 6,5K pro Kilometer Höhenzunahme ab bis zur sogenannten Tropopause, die in Höhen um 6 bis 8 km über den Polargebieten und bis zu 15 bis 17 km über den äquatornahen Tropen liegt und anschaulich als Obergrenze einer ständig vertikal und horizontal durchmischten Luftschicht (genannt Troposphäre) gedeutet werden kann. Darüber erfolgt eine Zunahme der Temperatur bis in etwa 50 km Höhe (Stratopause als Obergrenze der Stratosphäre), über der dann die Lufttemperatur in der Mesosphäre bis zu etwa 85 km Höhe auf ca. 200 K und noch weniger absinken kann. Diese tiefen Temperaturen in dieser Höhe erlauben dem hier nur noch in Spuren vorhandenen Wasserdampf an Staubteilchen zu gefrieren: es entstehen in diesem Höhenbereich die oft sehr schönen Leuchtenden Nachtwolken.

 

 

 

Natürlich gibt es einige regionale Unterschiede.

 

 

 

Wie kommt diese Temperaturschichtung zustande? Zunächst: die Atmosphäre besteht „heute“ zu bereits etwa 98% aus den Gasen Stickstoff und Sauerstoff. Die „Spurengase“ Wasserdampf, Kohlendioxid, Methan, verschiedenen Stickoxiden, und Ozon in Bodennähe sowie insbesondere in der Stratosphäre bilden den Rest. Sie werden zunehmend ergänzt durch verschiedene andere Gase, die oft nur durch menschliche Aktivitäten entstanden sind, wie etwa alle Chlorkohlenwasserstoffe (FCKWs). In dieser Gasatmosphäre schweben, vorzugsweise in der Troposphäre, die Aerosole und natürlich die Wolken. Letztere können nur dank des Wasserdampfes entstehen.

 

 

 

Dominiert wird die oben skizzierte vertikale Temperaturverteilung durch die Einstrahlung der Sonne, die den Erdboden auf (im globalen Jahresmittel) etwa +15°C aufgeheizt. Dieser gibt Wärme an die Atmosphäre ab durch Wärmestrahlung und zusätzlich durch Kaskaden turbulenter Austauschprozesse, zu denen auch die Verdunstung am Boden beiträgt. Die oben in der Reihenfolge ihrer Strahlungswirkung genannten 5 Gase sind fast vollständig durchlässig für die solare Einstrahlung im Spektralbereich zwischen etwa 0,3 und 1,2 µm. Das Ozon absorbiert aber dankenswerterweise das solare Ultraviolett (Wellenlängen < 0,3µm) fast vollständig, so dass nicht nur alles Leben am Boden weitgehend geschützt ist, sondern die Stratosphäre sich auch aufwärmen kann. Der Wasserdampf tritt vorzugsweise in der Troposphäre auf, denn nahe der  kalten Tropopause mit Temperaturen um –55 bis -75°C wird er fast vollständig ausgefroren beim Versuch weiter nach oben zu wandern. Die Gase CO2, CH4 und die Stickoxide – sowie auch viele der Chlorkohlenwasserstoffe (FCKWs) sind dagegen mit fast konstantem Mischungsverhältnis bis in Höhen um 70 km vertreten. Diese Gase absorbieren sehr stark die von unten kommende Wärmestrahlung und emittieren gleichzeitig mit der jeweiligen Umgebungstemperatur Wärmestrahlung in alle Richtungen. Dadurch kühlen sich die Trosphäre und auch die Mesosphäre nach oben hin ab. Wolken und Aerosole in der Trosphäre modifizieren das ganze sehr entscheidend. Die Zunahme der Temperatur in der Stratosphäre ist dagegen dem dort vorhandenen Ozon zu verdanken.

 

 

 

So kann man sich sehr vereinfacht die Aufrechterhaltung des Treibhauseffektes unserer Erdatmosphäre erklären. Die Venusatmosphäre wirkt analog; und auch auf dem Mars lässt sich ein schwaches Treibhaus nachweisen. Nun doch etwas zu dem von Herrn Stehlik in den Mittelpunkt gestellten „Modell“: Würde man hypothetisch alle Treibhausgase und damit auch alle Wolken entfernen, dann würde sich bei gleicher Erdalbedo von 30% tatsächlich eine Temperatur am Boden von etwa –18 bis –19°C einstellen. Dieses sehr vereinfachende Argument wurde in der Vergangenheit stets gebraucht um die Bedeutung der Treibhausgase für unser Klima hervorzuheben.

 

Und nun ändert der Mensch – ein sehr dominanter und agressiver Bestandteil der Biosphäre – die Zusammensetzung der Atmosphäre, wobei er die Konzentrationen von CO2, CH4, Stickoxiden und am Boden auch vom Ozon erhöht und gleichzeitig die des Ozons in der Stratosphäre reduziert. Er hat auch inzwischen fast alle Landoberflächen umgewandelt. Die vielen FCKWs sind seine Erfindung und auch viele der Aerosole. Seit Beginn des Industriezeitalters etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts haben die Konzentrationen der erstgenannten Gase um etwa 35% (CO2), 140% (CH4) und 70% (N2O) zugenommen. Es hat sich dadurch die Absorptions- und gleichzeitig auch Emissionsfähigkeit der Atmosphäre erhöht mit dem Endergebnis, dass sowohl mehr Wärmestrahlung nach unten als noch oben emittiert wird, was inzwischen auch durch Messungen nachgewiesen worden ist. Dadurch kann die Temperatur in Bodennähe zunehmen und in der Stratosphäre und darüber auch abnehmen. Messungen belegen dies bereits! Wir sollten natürlich wieder im Auge behalten, dass das Endresultat nicht ohne die vielen turbulenten (das stört den Amateurastronomen bei seinen nächtlichen Beobachtungen) Austauschprozesse in der Atmosphäre und die Wirkungen von Wolken und Aerosolen und natürlich auch durch Austausch am Erdboden zustande kommen kann.

 

 

 

Wir müssen hier außerdem noch einfügen, dass die Strahlungstransporteigenschaften der genannten Gase und auch der Aerosole und der Wolken durch Messungen und auch durch Rechnungen sehr genau bekannt sind. Diese Werte werden in allen Klimamodellen entsprechend genau berücksichtigt.

 

 

 

Die sehr umfangreichen und gründlich recherchierten Analysen von vielen Eis- und Sedimentbohrkernen – und auch von Stalagmiten vieler Höhlen – erlauben recht gute Rekostruktionen der Klimaverläufe in den vergangenen 500 Jahrtausenden und eine entsprechende Einstufung von deren Ursachen. Hier spielen sowohl Änderungen der Einstrahlung von der Sonne als auch der Treibhausgase (CO2 und CH4 vorzugsweise) eine führende Rolle. Zusätzlich existieren verschiedene Periodizitäten von Strömungssystemen, die zu kurzzeitigen und meist regionalen Anomalien im Klima führen koennen.

 

 

 

Wie versucht man nun die jetzige weltweit zu beobachtende Zunahme der Temperatur in Erdbodennähe und gleichzeitige Abnahme in der unteren Stratosphäre, sowie weitere Änderungen im Klima ursächlich zu erklären? Dazu kann man nur sehr komplexe Modelle verwenden, in denen möglichst gleichzeitig das Klimageschehen in der Atmosphäre, am festen Erdboden mit einem gewissen Austausch in die obersten Bodenschichten und mit der Vegetation und natürlich mit der Atmosphäre und in den Ozeanen mit allen deren Strömungen von unterschiedlich warmen Luft- bzw. Wasserkörpern numerisch nachvollzogen werden. Fuer diese Zwecke werden den Forschern die besten Großrechner zur Verfügung gestellt. Zur Klärung von Unsicherheiten in Prozessabläufen werden sehr kostspielige Expeditionen durchgeführt. Es werden ständig die Routinemessnetze am Boden, in den Ozeanen und auch in Satellitenhöhen ausgebaut. Und die oben erwähnten Untersuchungen des historischen Ablaufes des Klimas bilden eine wesentliche Grundlage um solche Modelle „zu eichen“.

 

 

 

Und noch kennen und wissen wir nicht alles!

 

 

 

Mit solchen  sehr komplexen Modellrechnungen konnte aber bereits geklärt werden, dass bis etwa zu den Jahren um 1970 die Temperaturzunahme in Erdbodennähe zu etwa 60% des notwendigen Antriebes mit einer allerdings nicht sehr starken Zunahme der Emission solarer Strahlung erklärt werden. Der Rest geht zu Lasten der seit etwa 1850 gemessenen Anstiege der Treibhausgaskonzentrationen. Der nachfolgende weitere Anstieg erfolgt den Modellrechnungen zufolge allein zu Lasten der Zunahme der Treibhausgase, denn die Sonne hat sich sogar ab etwa 1975 leicht abgeschwächt, wie Satellitenmessungen zeigen. CO2 hat zusätzlich in weiten Teilen der Ozeane die Azitizität des Wassers erhöht, worunter empfindliche Organismen bereits leiden. Dabei soll man aber nicht ausschliessen, dass auch eine uns zunaechst noch unbekannte Fluktuation des Klimas zur derzeitigen Erwärmung beitragen kann.

 

 

 

Wir gestatten uns aufgrund der vorliegenden Ergebnisse eine sehr vorsichtige Prognose zur weiteren Entwicklung des Klimas: Die zunehmenden Konzentrationen der genannten Treibhausgase werden das Klima in Richtung einer Temperaturzunahme in den unteren Schichten der Atmosphäre und am Boden und Abnahme in Tropopausenniveau drängen, was nicht bedeutet, das es dazu kommen muss. Einem solchen „Antrieb (engl.: forcing)“ sind auch in Zukunft natürliche Schwankungen überlagert, die durchaus auch zu kürzeren Abkühlungsperioden in Bodennähe führen können. Die Natur wird sich anpassen; wir Menschen werden auch lernen müssen damit umzugehen. Allein daher und noch verstärkt durch andere und sogar wesentlich drängendere Probleme (z.B. nahendes Ende der fossilen Energievorräte, Überbevölkerung in einigen Regionen) müssen entsprechende „Gegenmaßnahmen“ weltweit getroffen werden.

 

 

 

Die Klimaforschung unserer heutigen Zeit erfolgt durch eine weltweite Zusammenarbeit von vielen Wissenschaftsdisziplinen mit bestens ausgebildetem Personal und sollte daher schon aus diesem Grunde nicht mit oft nur Unwissen signalierender Polemik und Besserwisserei gekontert werden.

 

 Ehrhard Raschke1 und Stefan Bakan2

 

(1Universitaet Hamburg, 2Max-Planck-Institut fuer Meteorologie Hamburg)