SFN: MINT-Forschung fördert Integration

Sieben Jugendliche aus der Ukraine können durch die Unterstützung der Wintershall Dea Stiftung für Demokratie und Vielfalt ihre eigenständigen Forschungsprojekte am Schülerforschungszentrum Nordhessen (SFN) durchführen. Betreut werden die 12- bis 18-jährigen Nachwuchsforscher:innen von Viktoriia Panchenko und Vladislav Spurgyash, die ebenfalls aus der Ukraine stammen und am SFN ein Praktikum absolvierten. Wir führten ein Gespräch mit den Jugendlichen und ihren Tutoren, bei dem sie uns ihre Forschungsprojekte vorstellen und ihre Zukunftspläne mit uns teilten.

WD: Wie seid ihr zum SFN gekommen, wie habt ihr davon erfahren?

Kseniia: Viktoriia und Vladislav sind in unsere Integrationsklasse im Goethe-Gymnasium gekommen und haben vom SFN erzählt. Auch meine Biologielehrerin erzählte mir davon.

Kristina: Ich war zuerst im FutureSpace und bin dann zum SFN gekommen, weil meine Freundin hier ein Forschungsprojekt machte.

Artem: Ich kam in den Osterferien 2022 zum ersten Mal zum SFN zum Scratch-Programmieren, nachdem meine Mutter davon gehört hatte.

WD: Was hat euch besonders gefallen, warum verbringt ihr hier eure Freizeit?

Kateryna: Ich mag Biologie und Chemie, ich finde das interessant. Und hier kann ich auch meine Deutschkenntnisse verbessern.

Daniil: Ich bin wegen der Atmosphäre hier. Im SFN kann ich meine Ideen umsetzen und meine Freizeit mit Freunden verbringen.

WD: Wie oft kommt ihr hierher, um an euren Forschungsprojekten zu arbeiten?

Viktoriia: Die Schüler:innen sind mindestens 2-mal pro Woche nach der Schule hier. Das hängt von den Schulaufgaben oder von ihren Hobbys ab. Daniil, z. B.,  muss täglich zum Hockeytraining. Kristina und Kseniia sind jetzt in einer normalen Klasse und lernen alle Fächer auf Deutsch, da kann ich sie auch unterstützen. Sie mögen es außerdem, gemeinsam im SFN zu kochen, dann sind sie gleich vor Ort und können an ihren Forschungsprojekten weiterarbeiten.

WD: Habt ihr denn bereits eine Idee, in welchem Beruf ihr später arbeiten möchtet?

Kseniia: Ich möchte Zahnärztin werden.

Kateryna: Ich möchte genetische Ingenieurin werden.

Andrii: Ich habe mich noch nicht entschieden, vermutlich etwas mit Biologie, Chemie oder Programmieren.

Artem: Ich möchte Programmierer, Architekt oder Chirurg werden.

Daniil: Ich habe noch nicht darüber nachgedacht aber vielleicht etwas in Richtung Sport und Psychologie. Ich spiele für die Kassel Huskies.

WD: Vielen Dank für diese Einblicke, nun sind wir sehr auf eure Forschungsprojekte gespannt.

Projekt „Biokunststoff“

Copyright: Wintershall Dea/Milan Soremski

Kseniia Vsoltseva, 16 Jahre, aus Donezk und Kristina Umanska, 12 Jahre, aus Kiew.

Kseniia und Kristina haben bereits zwei Projekte im SFN umgesetzt und arbeiten nun an ihrem dritten. Das erste Projekt befasste sich mit Regenerationsprozessen bei Würmern unter verschiedenen Bedingungen. Beim zweiten erforschten sie zusammen mit Daniil Kozlov das Pflanzenwachstum im Weltraum und entwickelten ein System, in dem Pflanzen unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit wuchsen. Das aktuelle Projekt dient zur Herstellung von "Biokunststoff" auf Basis von Bioresten. Dieser soll sich für den Gebrauch im täglichen Leben eignen, z.B. für die Herstellung von Haushaltsgegenständen.

Kristina: Beim ersten Versuch war das Produkt gerissen, mehrmals veränderten wir die Rezeptur.  Wir haben Speisestärke, Wasser, Säure und Glycerin in verschiedenen Proportionen gemischt und die grüne Lebensmittelfarbe für bessere Sichtbarkeit hinzugegeben.

Kseniia: Bei der dritten Probe war es schon wesentlich besser, aber wir sind noch nicht ganz zufrieden.

Projekt „Bioplastik“

Copyright: Wintershall Dea/Milan Soremski

Kateryna Dokuchaeva, 16 Jahre, aus Cherson.

Kateryna arbeitet an einer umweltfreundlichen Alternative zu Plastiktrinkhalmen und Deckeln von Kaffeebechern. In ihrer Forschung möchte sie eine Alternative entwickeln, die sich durch Umweltfreundlichkeit, Kosteneffizienz und Praktikabilität auszeichnet, um sowohl die Bedürfnisse der Nutzer als auch die ökologischen Anforderungen zu berücksichtigen.

Kateryna: Plastikstrohhalme werden bereits durch Papierstrohhalme ersetzt, sind aber unpraktisch. Ich möchte ein neues Polymer bzw. einen neuen Biokunststoff dafür erfinden, dazu brauche ich Chemiekenntnisse. Die erste Probe baute auf der Basis von Kaffeesatz und Natrium-Alginat auf. Aber was ist, wenn die Leute ihre Getränke nicht aus altem Kaffeesatz trinken wollen? Ich habe dann weiter recherchiert und habe Kalzium-Alginat aus Natrium-Alginat und Kalzium-Chlorid synthetisiert. Jetzt warte ich, bis es trocknet, damit ich Strohhalme daraus machen kann.

Projekt „Wundverband aus Spinnweben“

Copyright: Wintershall Dea/Milan Soremski

Katerina Medvedieva, 14 Jahre, aus Charkiw und Andrii Birdeniuk,13 Jahre, aus Odessa.

Katerina und Andrii möchten einen umweltfreundlichen Wundverband entwickeln, unter Verwendung von Spinnweben als antibakteriellem Material. Anfangs konzentrierte sich ihre Forschung auf verschiedene Eigenschaften von Spinnweben, wie Elastizität oder Feuerfestigkeit. Währenddessen stellten sie die antibakteriellen Eigenschaften von Spinnweben fest. Diese Entdeckung motivierte sie dazu, einen biologischen Verband zu entwickeln.

Andrii: Um den Planeten nicht zuzumüllen, versuchen wir ein Biopolymer aus dem Spinnennetz zu machen und den natürlichen Klebstoff der Spinnnetze zu nutzen.

Katerina: Wir halten die Spinnen im Aquarium. Wir haben die Spinnnetze auf Stärke mit dem elektronischen Mikroskop untersucht und eine mikrobiologische Lösung hergestellt.

Projekt „Biosphäre“

Copyright: Wintershall Dea/Milan Soremski

Daniil Kozlov, 15 Jahre, aus Odessa.

Daniil hat sein Projekt gemeinsam mit Kristina und Kseniia am SFN gestartet, in dem sie das Wachstum von Pflanzen im Weltraum simuliert haben. Derzeit leitet er das Projekt eigenständig und plant, seine Forschung zu erweitern, indem er sich auf die Untersuchung anderer Parameter konzentriert, die das Pflanzenwachstum im Weltraum beeinflussen. Daniil hat dafür eine bestehende Biosphäre von einem anderen Team übernommen und plant Untersuchungen mit Ameisen.

Daniil: Diese Biosphären werden einmal gegossen und dann verschlossen. Die Pflanzen müssen dann selbst weiterwachsen und sich entwickeln. Dabei stelle ich mir die Fragen, wie dort essbare Pflanzen wachsen oder wie wir andere Planeten bewohnen können? Um diese Erkenntnisse zu gewinnen, muss ich alles sehr genau dokumentieren, wie ein echter Forscher.

Projekt „Solar-Flugzeug“

Copyright: Wintershall Dea/Milan Soremski

Artem Kolotenko, 11 Jahre, aus Kiew.

Artem beschäftigt sich mit Programmierung und hat großes Interesse am Flugzeugbau. Während der Herbstferien 2023 nahm er im Rahmen der sogenannten Codeweek an einem Game-Jam teil, bei dem die Teilnehmenden in Begleitung von SFN-Betreuern und einem Ansprechpartner vom Fraunhofer Institut ihr eigenes Computerspiel programmierten. Artem nimmt zudem aktiv am Leben des SFN teil, z. B. spielte er beim Neujahrskonzert Klavier.

Artem: Ich baue ein Solar-Flugzeug, weil ich zeigen möchte, dass Flugzeuge auch ohne Gas oder Kerosin fliegen können, damit die Umwelt nicht verschmutzt wird.

Nach Ansicht von Philipp Imhof, Leiter des SFN, bringen die jungen Forscher:innen aus der Ukraine viel Leben ins SFN und begeistern mit interessanten Ideen und neuen Perspektiven: "Wir sind stolz darauf, jungen Talenten eine Plattform für ihre eigenständigen Forschungsprojekte zu bieten. Ihr Enthusiasmus und ihr Engagement für Wissenschaft und Technologie sind inspirierend und zeigen das Potenzial der nächsten Generation. Sie setzen sich hohe Ziele und streben danach, sowohl in naher als auch in ferner Zukunft."

Auch Natalia Dianova, Projektleiterin für Internationale Bildungs- und Integrationsprojekte bei Wintershall Dea, lobt die erfolgreiche Umsetzung der Integrationsprojekte beim SFN: "Es ist absolut inspirierend, den Forschungsdrang dieser jungen Menschen und ihre Forschungsprojekte zu sehen. Durch unsere Zusammenarbeit mit dem SFN möchten wir Bildung und Innovation fördern und dazu beitragen, dass diese Jugendlichen ihre Visionen verwirklichen können. Wir sind gespannt darauf, wie ihre Projekte die Zukunft prägen und einen positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft haben werden."

* Das Interview mit den ukrainischen Schüler:innen wurde auf Deutsch geführt und für die bessere Lesbarkeit redaktionell bearbeitet.