ESO 42/09 - Pressemitteilung Wissenschaft

 

Exoplaneten lösen Rätsel der Sonnenchemie

Eine bahnbrechende Studie an hunderten von Sternen weist auf eine Vebindung zwischen dem “Lithiumrätsel” der Sonnenchemie – dem Umstand, dass unser Heimatstern unerwartet geringe Mengen des chemischen Elements Lithium enthält – und dem Vorhandensein von Planetensystemen um Sterne hin. Die Astronomen untersuchten ihre 500 Zielsterne, von denen 70 ein Planetensystem besitzen, mit dem HARPS-Spektrografen der ESO und fanden heraus, dass sonnenähnliche Sterne, die ein Planetensystem besitzen, das in ihnen enthaltene Lithium deutlich schneller in andere Elemente umwandeln als planetenlose Sterne. Die Studie wirft damit nicht nur neues Licht auf ein altes Rätsel der Sonnenchemie, sondern zeigt auch einen hocheffizienten Weg auf, um Sterne mit Planetensystemen ausfindig zu machen.

Fast  zehn Jahre lang haben wir uns bemüht, herauszufinden, wie sich Sterne, die ein Planetensystem besitzen, von ihren unfructhbaren Cousins unterscheiden”, sagt Garik Israelian, Erstautor der Studie, die in dieser Woche in der Zeitschrift Nature erscheint. “Jetzt haben wir herausgefunden, dass der Lithiumgehalt sonnenähnlicher Sterne davon abhängt, ob die Sterne von Planeten umkreist werden oder nicht.

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass die Sonne im Vergleich mit sonnenähnlichen Sternen nur geringe Mengen des leichten chemischen Elements Lithium enthält – doch eine Erklärung für diese Anomalie fehlte. Die Entdeckung, dass geringer Lithiumgehalt charakteristisch für Sterne ist, die ein Planetensystem haben, legt nahe, worin des Rätsels Lösung besteht: “Damit ist die Erklärung für dieses 60 Jahre alte Rätsel recht einfach”, so Israelian: “Der Sonne fehlt das Lithium, weil sie Planeten besitzt.”

Diesen Schluss ziehen die Forscher aus der Analyse von 500 Sternen, von denen 70 von Planeten umkreist werden. Die meisten der Sterne wurden über mehrere Jahre mit dem High Accuracy Radial Velocity Planet Searcher (wörtlich der “Planetensucher für hochpräzise Radialgeschwindigkeitsmessungen”) überwacht. Dieser Spektrograf, besser bekannt unter dem Akronym HARPS, ist eines der am 3,6-Meter-Teleskop der ESO installierten Instrumente, und der weltweit erfolgreichste Planetenjäger. “Dies ist die beste bislang verfügbare Stichprobe um  zu verstehen, was Sterne, die ein Planetensystem besitzen, auszeichnet”, so die Aussage von Koautor Michel Mayor.

Die Astronomen betrachteten insbesondere sonnenähnliche Sterne, die ein Viertel der Stichprobe ausmachen. Sie fanden, dass die Mehrheit der Sterne, die von Planeten umkreist werden, weniger als ein Prozent des Lithiumgehalts der meisten anderen Sterne aufwiesen. “Genau wie unsere Sonne waren auch diese Sterne sehr effizient, als es darum ging, das Lithium, das sie bei ihrer Entstehung enthielten, zu zerstören” sagt Nuno Santos, ein weiteres Mitglied der Forschergruppe. “Mit Hilfe dieser einzigartigen großen Stichprobe konnten wir zeigen, dass das Fehlen von Lithium nicht mit irgendeiner anderen Eigenschaft der betreffenden Sterne – etwa ihrem Alter – zusammenhängt.

Lithium hat einen sehr leichten Atomkern, der aus nur drei Protonen und vier Neutronen besteht. Die meisten chemischen Elemente leichter als Eisen werden im Inneren von Sternen erzeugt. Die leichten Atomkerne Lithium, Beryllium und Bor entstehen dort allerdings nicht in nennenswerten Mengen. Was wir im Kosmos an Lithium finden ist den heutigen Modellen zufolge kurz nach dem Urknall entstanden, also vor rund 13,7 Milliarden Jahren. Die meisten Sterne haben daher einen sehr ähnlichen Lithiumgehalt – es sei denn, beachtliche Mengen dieses Elements sind bei Prozessen im Sterninneren zerstört worden.

Die neuen Ergebnisse zeigen eine Methode auf, wie Astronomen effektiver als bisher nach Planetensystemen suchen können: Anhand des Lithiumgehalts eines Sterns lässt sich entscheiden, ob sich aufwändigere Beobachtungen überhaupt lohnen.

Nun, da der Zusammenhang zwischen der Anwesenheit von Planeten und besonders geringem Lithiumgehalt bekannt ist, gilt es, die physikalischen Mechanismen aufzuklären, die dahinterstecken. “Es gibt verschiedene Weisen, wie ein Planet die Bewegung von Materie im Inneren seines Heimatsterns stören, so die Verteilung der verschiedenen chemischen Elemente beeinflussen und möglicherweise die Zerstörung von Lithium herbeiführen kann. Nun sind die Theoretiker gefragt, welche der Möglichkeiten am wahrscheinlichsten ist,” schließt Mayor.

Hintergrundinformationen

Die zugehörige Fachveröffentlichung, G. Israelian et al., “Enhanced lithium depletion in Sun-like stars with orbiting planets”, erscheint am 12. November 2009 in Nature.

Die beteiligten Astronomen sind Garik Israelian, Elisa Delgado Mena, Carolina Domínguez Cerdeña und Rafael Rebolo (Instituto de Astrofisíca de Canarias, La Laguna, Teneriffa), Nuno Santos und Sergio Sousa (Centro de Astrofisica, Universidade de Porto, Portugal), Michel Mayor und Stéphane Udry (Observatorium Genf) und Sofia Randich (INAF, Osservatorio di Arcetri, Florenz).

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.

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Englischer Originaltext:

Exoplanets Clue to Sun's Curious Chemistry

A ground-breaking census of 500 stars, 70 of which are known to host planets, has successfully linked the long-standing “lithium mystery” observed in the Sun to the presence of planetary systems. Using ESO’s successful HARPS spectrograph, a team of astronomers has found that Sun-like stars that host planets have destroyed their lithium much more efficiently than “planet-free” stars. This finding does not only shed light on the lack of lithium in our star, but also provides astronomers with a very efficient way of finding stars with planetary systems.

For almost 10 years we have tried to find out what distinguishes stars with planetary systems from their barren cousins,” says Garik Israelian, lead author of a paper appearing this week in the journal Nature. “We have now found that the amount of lithium in Sun-like stars depends on whether or not they have planets.

Low levels of this chemical element have been noticed for decades in the Sun, as compared to other solar-like stars, and astronomers have been unable to explain the anomaly. The discovery of a trend among planet-bearing stars provides a natural explanation to this long-standing mystery. “The explanation of this 60 year-long puzzle is for us rather simple,” adds Israelian. “The Sun lacks lithium because it has planets.”

This conclusion is based on the analysis of 500 stars, including 70 planet-hosting stars. Most of these stars were monitored for several years with ESO’s High Accuracy Radial Velocity Planet Searcher. This spectrograph, better known as HARPS, is attached to ESO's 3.6-metre telescope and is the world’s foremost exoplanet hunter. “This is the best possible sample available to date to understand what makes planet-bearing stars unique,” says co-author Michel Mayor.

The astronomers looked in particular at Sun-like stars, almost a quarter of the whole sample. They found that the majority of stars hosting planets possess less than 1% of the amount of lithium shown by most of the other stars. “Like our Sun, these stars have been very efficient at destroying the lithium they inherited at birth,” says team member Nuno Santos. “Using our unique, large sample, we can also prove that the reason for this lithium reduction is not related to any other property of the star, such as its age.”

Unlike most other elements lighter than iron, the light nuclei of lithium, beryllium and boron are not produced in significant amounts in stars. Instead, it is thought that lithium, composed of just three protons and four neutrons, was mainly produced just after the Big Bang, 13.7 billion years ago. Most stars will thus have the same amount of lithium, unless this element has been destroyed inside the star.

This result also provides the astronomers with a new, cost-effective way to search for planetary systems: by checking the amount of lithium present in a star astronomers can decide which stars are worthy of further significant observing efforts.

Now that a link between the presence of planets and curiously low levels of lithium has been established, the physical mechanism behind it has to be investigated. “There are several ways in which a planet can disturb the internal motions of matter in its host star, thereby rearrange the distribution of the various chemical elements and possibly cause the destruction of lithium. It is now up to the theoreticians to figure out which one is the most likely to happen,” concludes Mayor.

More Information

This research was presented in a paper that appears in the 12 November 2009 issue of Nature (Enhanced lithium depletion in Sun-like stars with orbiting planets, by G. Israelian et al.).

The team is composed of Garik Israelian, Elisa Delgado Mena, Carolina Domínguez Cerdeña, and Rafael Rebolo (Instituto de Astrofisíca de Canarias, La Laguna, Tenerife, Spain), Nuno Santos and Sergio Sousa (Centro de Astrofisica, Universidade de Porto, Portugal), Michel Mayor and Stéphane Udry (Observatoire de Genève, Switzerland), and Sofia Randich (INAF, Osservatorio di Arcetri, Firenze, Italy).

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